Müller-Hof Newsletter – September 2024

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Gesellschaftsrecht: „Selbstbedienung“ eines Geschäftsführers und erfolgte Entlastung

Das OLG Brandenburg (Urteil vom 24.1.2024 – 7 U 2/23) hatte sich mit einem Gesellschafter-Geschäftsführer zu befassen, der seine Vergütung als unangemessen niedrig ansah und infolgedessen über mehrere Jahre eine Mitarbeiterin anwies, ihm jährlich zusätzliche Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt EUR 170.000 auszuzahlen. Eine Anpassung seines Anstellungsvertrags war in der Gesellschafterversammlung nie beschlossen worden.

Die Gesellschafterversammlung hatte jeweils die Jahresabschlüsse der Gesellschaft für die Jahre 2015 bis 2019 festgestellt und für die Jahre 2015 bis 2017 dem Geschäftsführer Entlastung erteilt.

Die GmbH machte später vor Gericht den Ersatz der Vermögensschäden geltend, die aus der Gewährung und Auszahlung der Einmalzahlungen resultieren. Der Geschäftsführer wandte ein, seine im Anstellungsvertrag vereinbarte Vergütung sei unangemessen niedrig, weshalb der Gesellschaft kein ersatzfähiger Schaden entstanden sei.

Das OLG verurteilte den Geschäftsführer teilweise zur Rückzahlung.

Es bestätigte, dass ein Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz haftet. Die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens gehöre zu den gesetzlichen Pflichten der Unternehmensleitung und sei einzuhalten Durch die Veranlassung von Einmalzahlungen, die die vertraglich vereinbarte Vergütung übersteigen und auch nicht durch die Gesellschafterversammlung gebilligt wurden, habe er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verletzt. Er sei daher zum Schadensersatz verpflichtet.

Allerdings sei die Haftung des Geschäftsführers dadurch begrenzt, dass die Gesellschafterversammlung für die Jahre 2015 bis 2017 seine Entlastung beschlossen hatte. Durch die Entlastung spricht die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für die bisherige Geschäftsführung aus, andererseits werden Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe ausgeschlossen. Die Entlastung umfasst alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung anhand der vorgelegten Unterlagen erkennbar waren. Dazu gehören auch Umstände, die durch Nachfragen und Nachrechnen in Erfahrung hätten gebracht werden können. Anders sei die Situation zu bewerten, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert. Die Beweislast dafür trage die Gesellschaft.

Dagegen führe allein die Feststellung des Jahresabschlusses noch nicht zum Ausschluss von Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer. Die Gesellschafter geben mit der Feststellung keine Erklärung ab. Sie stellen lediglich fest, welche Ausgaben getätigt worden sind. Aus diesem Grund musste der Geschäftsführer für die Jahre 2018 und 2019 die Einmalzahlungen zurückgewähren.

Das OLG beschäftigte sich in dem Urteil auch mit dem Aspekt der angeblich sittenwidrig niedrigen Vergütung. Sittenwidrigkeit setze nicht nur ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Dieses müsse bereits bei Vertragsschluss vorliegen. Zudem sei das Ausnutzen einer Schwächesituation des Vertragspartners erforderlich, welche vorliegend nicht gegeben sei. Zudem sei zweifelhaft, ob eine sittenwidrig niedrige Geschäftsführervergütung es überhaupt rechtfertigt, sich selbst eigenmächtig Einmalzahlungen zu gewähren.

Wichtig für die Praxis ist deshalb: Sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, obliegt die Anpassung der Geschäftsführervergütung allein der Gesellschafterversammlung. Gesellschafter sollten Jahresabschlüsse immer gründlich auf Unstimmigkeiten prüfen und keinesfalls vorschnell Entlastung erteilen, da sonst der Ausschluss späterer Ersatzforderungen droht. Anderes gilt nur dann, wenn Informationen verschleiert wurden.

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