Müller-Hof Newsletter – März 2025
art – AktuelleRechtsTipps
Gesellschaftsrecht: Hinauskündigung eines Mitgesellschafters mittels Vesting-Regelung?
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Vereinbarungen, die GmbH-Gesellschaftern das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, nach § 138 I BGB grundsätzlich nichtig (vgl. BGH Urteil vom 19.09.2005 – II ZR 173/04). In einem aktuellen Beschluss hat sich das Kammergericht Berlin damit beschäftigt, ob es Konstellationen, wie bei Start-up-Unternehmen, gibt, die eine solche sachliche Rechtfertigung zulassen (KG-Hinweisbeschluss vom 12.08.2024 – 2 U 94/21). Es entschied, dass derartige Ausschließungsrechte im Rahmen einer befristeten Vesting-Regelung gerechtfertigt sein können, wenn sie bei einem Start-up-Unternehmen den Zweck haben, eine Verknüpfung zwischen der Gesellschafterstellung eines Gründers und seinem weiteren Einsatz für das Unternehmen herzustellen.
Hintergrund: Im Rahmen von Finanzierungsrunden kommt es häufig zu Vereinbarungen, nach denen die Gründer die von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile einem sogenannten Vesting unterstellen. Damit soll für die Gründer ein Anreiz für ein langfristiges Engagement bewirkt werden. In der Vesting-Phase müssen sich die Gründer ihre Anteile über meist einige Jahre „erdienen“. Dies geschieht durch ihre Tätigkeit für die Gesellschaft als Geschäftsführer oder Arbeitnehmer. Gemäß der Vesting-Regelung gibt der Gründer ein Angebot zum Verkauf bzw. zur Abtretung der Anteile ab, das die Gesellschaft bzw. die Investoren unter bestimmten Bedingungen annehmen können. Als Bedingung wird in der ersten Zeit nach der Finanzierung (sog. „Cliff“) das Ausscheiden des Gründers als Geschäftsführer / Arbeitnehmer – unabhängig vom Grund – vereinbart. Nach dieser ersten Phase wird meist differenziert, warum der Gründer ausscheidet: Bei „Good Leavern“ (bspw. bei einer Kündigung aus wichtigem Grund durch den Gründer) darf der Gründer anteilig für seinen Tätigkeitszeitraum seine Anteile behalten. Anders dagegen ein „Bad Leaver“ (bspw. bei Kündigung durch die Gesellschaft aus wichtigem Grund) – dieser verliert sämtliche Anteile.
In dem Fall, der dem gerichtlichen Hinweisbeschluss zugrunde lag, hatten die Gesellschafter eines Start-Ups in einem „Shareholders‘ Agreement“ geregelt, dass ein Gesellschafter den anderen Gesellschaftern ein Kauf- und Abtretungsangebot unterbreitet. Dieses war unter die Bedingung gestellt, dass sein Arbeitsverhältnis im ersten Jahr des insgesamt dreijährigen Vestingzeitraums ordentlich gekündigt wird. Nachdem sein Arbeitsverhältnis gekündigt wurde und die Mitgesellschafter die Erwerbsoption ausgeübt hatten, war er nicht mehr Gesellschafter. Er klagte dagegen mit der Begründung, dass diese Regelung im „Shareholders‘ Agreement“ nichtig sei.
Gemäß dem Kammergericht kann eine solche befristete Vesting-Regelung gerechtfertigt sein, wenn sie bei einem Start-up-Unternehmen dazu dienen soll, den Fortbestand der Gesellschafterstellung eines Gründers mit seinem weiteren Einsatz für das Unternehmen zu verknüpfen. Es sei das praktische Bedürfnis für eine zeitlich limitierte Vesting-Regelung anzuerkennen, wenn Risikokapitalgeber in ein Start-Up investieren. Gründer, die keine klassischen Sicherheiten anbieten können, benötigen Risikokapitalgeber. Diese wiederum sind darauf angewiesen, dass die Gründer mit ihrem Know-How über Jahre dem Unternehmen zur Verfügung stehen.
Der Beschluss gibt Rechtssicherheit für die Beratung von Venture-Capital-Gestaltungen, deren Ziel der Ausgleich der Interessen der „Geldgeber“ auf der einen und der „Know-How-Geber“ auf der anderen Seite ist.