Müller-Hof Newsletter – Dezember 2021
art – AktuelleRechtsTipps
Familienrecht: Spekulationssteuer bei Trennung?
Wenn im Rahmen einer Scheidung Miteigentumsanteile an einer Immobilie von einem Ehepartner auf den anderen übertragen werden, ist dies oftmals Bestandteil einer Trennungs- und Scheidungsvereinbarung zwischen den Eheleuten, mit welcher Zugewinnausgleichsansprüche abgegolten werden. Dabei wird häufig nur der anteilige Grundstückswert betrachtet und eine eventuelle Steuerlast ausgeblendet. So kann es passieren, dass das Finanzamt lange nach der Übertragung des Miteigentumsanteils einen Veräußerungsgewinn auf Seiten des Übertragenden der Steuerfestsetzung zugrunde legt. Die Verärgerung auf Seiten des Übertragenden ist dann natürlich groß.
Nach den Regelungen des deutschen Steuerrechts ist ein Veräußerungsgewinn bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen, wenn das Veräußerungsobjekt im Jahr der Veräußerung nicht vom Übertragenden selbst genutzt wurde und zwischen Erwerb und Veräußerung keine 10 Jahre vergangen sind. Da die Scheidung ein Trennungsjahr voraussetzt, erfolgt die Übertragung des Miteigentumsanteils meist nicht schon im Jahr der Trennung. Trennten sich die Eheleute beispielsweise im Juni 2021, könnte die Scheidung erst im Juni 2022 ausgesprochen werden. Diese Zeit wird meist dafür erforderlich sein, um sich über den Zugewinn zu verständigen. Erfolgt daher die Übertragung des Miteigentumsanteils beispielsweise durch eine notarielle Vereinbarung erst im Januar 2022, so würde das Veräußerungsobjekt vom Übertragenden im Veräußerungsjahr 2022 nicht mehr selbst bewohnt werden, da er bereits im Juni 2021 ausgezogen ist.
Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Spekulationssteuer anfällt, ist der Begriff der Selbstnutzung.
Eine Selbstnutzung liegt vor, wenn die Immobilie zumindest auch mit einem Familienangehörigen (z.B. Kinder) oder einem Dritten bewohnt wurde. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt hingegen nicht vor, wenn der Übertragende die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Einem Dritten steht nach der Trennung auch der andere Ehepartner gleich, auch wenn dieser die Immobilie mit den gemeinsamen Kindern weiter bewohnt.
Zur Vermeidung der latenten Steuerlast bestehen mehrere gestalterische Möglichkeiten, die nur dann erforderlich sind, wenn die Bindungsfrist von 10 Jahren noch nicht verstrichen ist. Ausgehend davon, dass die Übertragung der Immobilie dem Ausgleich von Zugewinnausgleichsansprüchen dienen soll, könnte dem Wert der Immobilie die latente Spekulationssteuer hinzugerechnet werden, sodass die Steuerlast letztendlich ein durchlaufender Posten für den Übertragenden ist. Wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, kann auch durch eine geschickte vertragliche Formulierung im Umgang mit den Kindern eine Nutzung der Wohnung im Veräußerungsjahr begründet werden. Gelingt es den Eheleuten sich schnell zu einigen, könnte eine Übertragung noch im Jahr der Trennung erfolgen, in dem auch der Übertragende noch in der Immobilie wohnhaft war.
Bei sorgfältiger Planung kann somit die böse Überraschung der nachträglichen Steuerlast vermieden werden.