Müller-Hof Newsletter – Juni 2021
art – AktuelleRechtsTipps
Familienrecht: Kindesunterhalt bei erhöhtem Einkommen
Immer wieder stellt sich die Frage, welcher Kindesunterhalt bei gut verdienenden Eltern gezahlt werden muss, wenn das Einkommen den Höchstbetrag der „Düsseldorfer Tabelle“ überschreitet. Der Beitrag gibt einen Ausblick, wohin die Reise gehen könnte.
Lebt ein Elternteil vom Kind getrennt, ist er diesem gegenüber dem Grunde nach zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Die Unterhaltspflicht besteht grundsätzlich bis zum Abschluss des ersten Bildungsweges.
Lässt sich die Frage, ob eine Unterhaltspflicht dem Grunde nach besteht, noch relativ schnell klären, so ist die Frage der Höhe des Kindesunterhaltes meist umstritten. Zur Klärung dieser Frage ist der vom Kind getrenntlebende Elternteil verpflichtet, auf Verlangen Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu erteilen. Die Auskunftspflicht besteht nicht unbeschränkt, sondern so weit, wie dies zur Feststellung des Unterhaltsanspruches erforderlich ist. Eine Auskunftsverpflichtung besteht also dann nicht, wenn feststeht, dass die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch dem Grunde und der Höhe nach unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. Dies wird der Ausnahmefall bleiben, da die bloße Möglichkeit ausreicht, dass die Auskunft Einfluss auf den zu zahlenden Unterhalt hat.
Ist Auskunft erteilt oder die unbegrenzte Leistungsfähigkeit vom Unterhaltsverpflichteten erklärt, kann der Bedarf des Kindes ermittelt werden. Dieser bemisst sich nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Die Unterhaltspflicht hingegen ist auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil zahlen muss. Zur Bemessung des Bedarfs und damit des angemessenen Unterhaltes im Sinne des Gesetzes wird in der familienrechtlichen Praxis die „Düsseldorfer Tabelle“ herangezogen. Diese dient als Richtlinie, um ausgerichtet an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und dem Alter des Kindes eine gleichmäßige Behandlung gleicher Sachverhalte zu ermöglichen. Die „Düsseldorfer Tabelle“ ist ausgelegt für eine Unterhaltspflicht gegenüber zwei Unterhaltsberechtigten und sieht in der Einkommensgruppe 1 (bis EUR 1.900,00) den sogenannten Mindestunterhalt vor. Dieser steigert sich bis zur Einkommensgruppe 10 (EUR 5.101,00 – EUR 5.500,00), die 100% des Mindestunterhaltes entspricht.
Bislang hatte der Bundesgerichtshof eine fiktive Fortschreibung der „Düsseldorfer Tabelle“ über die Einkommensgruppe 10 bei höherem Einkommen der Eltern abgelehnt. Hieran hält der Bundesgerichtshof nun nicht mehr fest. In seiner Entscheidung vom 16.09.2020 (XII ZB 499/19) hat er klargestellt, dass auch bei einem höheren Elterneinkommen sichergestellt bleiben muss, dass die Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation der Eltern entspricht. Damit rechtfertigt der Bundesgerichtshof grundsätzlich eine Fortschreibung der „Düsseldorfer Tabelle“ nach oben. Dies darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aber nicht dazu führen, dass der Unterhalt für ein minderjähriges Kind zur bloßen Teilhabe am Luxus führt. Für den Fall, dass der finanzielle Bedarf eines Kindes vom Normalmaß abweicht, muss der Mehrbedarf konkret belegt werden (z.B. teurer Privatunterricht für Sport oder Musik).
Für den Unterhaltsverpflichteten führt die Änderung der Rechtsprechung dazu, dass im konkreten Einzelfall herausgearbeitet werden muss, inwieweit es dem Kind bzw. der Kindesmutter als Vertreterin des minderjährigen Kindes darum geht, sich das Leben durch das erhöhte Einkommen des Unterhaltsverpflichteten „aufzuhübschen“. Wo genau diese Grenze liegt, hat der Bundesgerichtshof einstweilen noch offen gelassen, was vorerst zu einem weiten Argumentationsraum sowohl auf Seiten des Unterhaltsberechtigten als auch des Unterhaltsverpflichteten führt. Es verbietet sich daher eine pauschale Betrachtungsweise, sondern die Unterhaltshöhe muss konkret anhand der Lebensumstände herausgearbeitet werden.