Müller-Hof Newsletter – Dezember 2023
art – AktuelleRechtsTipps
Erbrecht: Die fast unbegrenzte Freiheit der Testamentsgestaltung
Die Gestaltung des eigenen letzten Willens empfindet der eine als Regelung des Nötigsten, der andere als wirkungsvolles Instrument, um „aus dem Grab heraus“ noch die eigenen Vorstellungen in der Familie bzw. dem sonstigen Umfeld umzusetzen.
Zwischen einem Testament mit Standardformulierungen und einem schon fast „diktatorischen“ Testament gibt es einen enormen Gestaltungsspielraum, den jeder nutzen kann.
Eine deutliche Grenze in Bezug auf die Inhalte eines Testaments zog kürzlich das Oberlandesgericht Hamm (Verfahren 10 U 58/21):
Enthält ein Testament eine Bedingung, nach der die Tochter das Haus nur dann erbt, wenn ihr Lebensgefährte es nicht mehr betritt, so sei diese Bedingung nichtig. Denn eine solche bedingte Zuwendung übe in diesem konkreten Fall, in dem die Beteiligten zuvor familiär zusammenlebten, einen unzumutbaren Druck auf die Tochter aus, sich in einem höchstpersönlichen Bereich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. Im entschiedenen Fall entfiel nur die sittenwidrige Bedingung. Das Testament wurde im Übrigen als wirksam erachtet.
Das OLG hob in seiner Entscheidung hervor, dass die grundgesetzlich geschützte Testierfreiheit einem Erblasser zwar prinzipiell die Möglichkeit eröffne, die Erbfolge ganz nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Der dabei gewährte Gestaltungsraum sei sehr groß. Sittenwidrigkeit sei deshalb nur in sehr engen Ausnahmefällen anzunehmen.
Ein solcher schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen könne, sei nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen sei, dass dadurch ein unzumutbarer Druck auf die Bedachten ausgeübt werde, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Dagegen seien sonstige Bedingungen, die lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, regelmäßig zulässig.
Diese Entscheidung bestätigt im Grundsatz, wie weitreichend die Möglichkeiten bei der Gestaltung des letzten Willens sind. Vor allem über Bedingungen, Auflagen und die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers kann ein Erblasser sicherstellen, dass die ihm wichtigen Themen auch nach seinem Tod in seinem Sinne gehandhabt werden. Das kann z.B. ein Dank an pflegende Verwandte oder Freunde sein, die Versorgung von Haustieren, die Grabpflege, das Erreichen einer bestimmten beruflichen Qualifikation oder die Aufgabe von Glücksspiel, Substanzmissbrauch etc. durch den Bedachten. Aber es darf dadurch keine sittenwidrige Drucksituation entstehen.