Müller-Hof Newsletter – Juni 2024
art – AktuelleRechtsTipps
Arbeitsrecht: Was bei Abmahnungen zu beachten ist
Auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung entspricht es seit Jahrzehnten ständiger Rechtsprechung, dass eine verhaltensbedingte Kündigung in aller Regel erst dann möglich ist, wenn zuvor gegenüber dem Arbeitnehmer ein ähnliches Fehlverhalten durch eine Abmahnung beanstandet worden war und es später trotzdem zu einem Wiederholungsfall kommt. Dies beruht darauf, dass eine Abmahnung als „gelbe Karte“ das mildere Mittel gegenüber einer sofortigen Kündigung ist und schon damit häufig eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden kann. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit soll das zumindest versucht werden.
Einer Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits im Voraus erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen ist. Bei bedeutsamen Straftaten zulasten des Arbeitgebers, z.B. Diebstahl oder Betrug in erheblichem Umfang, ist keine vorherige Abmahnung nötig, da in einem solchen Fall der sofort drohende „Rauswurf“ jedem Arbeitnehmer bewusst sein muss.
Zwar ist für eine Abmahnung keine Schriftform vorgeschrieben, sie ist auch mündlich möglich. Um eine ordnungsgemäße und vollständige Abmahnung nachweisen zu können, wird aber Schriftform/Textform dringend empfohlen.
Arbeitsgerichte akzeptieren Abmahnungen nur, wenn sie inhaltlich bestimmt genug sind. Daran scheitern Abmahnungen in der Praxis oft. Es muss ein ganz konkretes Fehlverhalten (Ort, Datum, Uhrzeit usw.) beanstandet werden und dabei deutlich werden, welches Verhalten man zukünftig vom Arbeitnehmer erwartet. Pauschale Formulierungen wie „Störung des Betriebsfriedens“ oder „Unzuverlässigkeit“ genügen nicht.
Außerdem muss für den Wiederholungsfall erkennbar die Kündigung angedroht werden. Zwar könnte auch die allgemeine Androhung von „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ im Einzelfall ausreichend sein, es ist jedoch ein deutlicherer Hinweis auf die drohende Vertragsbeendigung ratsam.
Es gibt keinen festen Zeitraum, innerhalb dem eine Abmahnung ausgesprochen werden muss. Je nach den Umständen kann das Abmahnungsrecht aber etliche Wochen nach einem Vorfall verwirkt sein, weil nicht mehr damit gerechnet werden musste. Deshalb sollte der Ausspruch zeitnah erfolgen.
Wenn es nach einer Abmahnung längere Zeit zu keinem ähnlichen Wiederholungsfall kommt, kann eine Abmahnung ihre Wirkung verlieren. Auch dafür gilt keine feste Frist. Mindestens ein Jahr dürfte eine Abmahnung im Regelfall „haltbar“ sein. Spätestens nach mehr als zwei Jahren ist die Verwertung sehr problematisch; dann ist eine neue Abmahnung erforderlich, bevor bei einem weiteren Wiederholungsfall gekündigt werden kann.
Im Grundsatz genügt zwar schon eine einzige (aktuelle) Abmahnung, um beim nächsten gleichartigen Verstoß kündigen zu können. Vor allem bei langjährigen Arbeitsverhältnissen und/oder weniger gravierenden Verstößen können aber vor einer verhaltensbedingten Kündigung mehrere gleichartige Abmahnungen erforderlich sein.