Müller-Hof Newsletter – März 2025

art – AktuelleRechtsTipps

Arbeitsrecht: Unwirksame Verschwiegenheitsklausel

Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden (Urteil vom 17.10.2024 – 8 AZR 172/23): Der Arbeitgeber war ein Maschinenhersteller, der Mitarbeiter war als Central Technology Manager tätig. Sein Arbeitsvertrag enthielt die Klausel: „Herr D wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrags.“ Zum 01.01.2017 wechselte er als Global Technology Manager zu einem Hauptkunden des bisherigen Arbeitgebers. Erst 2018 erfuhr der bisherige Arbeitgeber, dass der ausgeschiedene Mitarbeiter schon 2015 unter einem Pseudonym verschiedene E-Mails an die Gesellschafter eines damals potentiell konkurrierenden Unternehmens verschickt hatte, wobei die E-Mail-Anhänge sehr spezifische Daten für ein bestimmtes Produktionsverfahren beinhalteten.

Der Arbeitgeber machte einen Unterlassungsanspruch geltend wegen Verstoßes gegen die arbeitsvertragliche Geheimhaltungsverpflichtung und des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Vielleicht ist es etwas überraschend, dass der Arbeitgeber in allen drei Gerichtsinstanzen verlor.

Auch wenn sich der Sachverhalt noch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) im Jahr 2019 abspielte, ist die neue Regelung auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch anwendbar. Das GeschGehG gewährt dem „Inhaber des Geschäftsgeheimnisses“ bei Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Rechtsverletzer. Voraussetzung ist allerdings, dass tatsächlich ein „Geschäftsgeheimnis“ im Sinne des neuen Gesetzes vorliegt. Die Anforderungen hieran sind erheblich: Ein „Geschäftsgeheimnis“ ist eine Information, die in einschlägigen Personenkreisen nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts fehlt es hier an „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“. In Betracht kommen sowohl Zugangsbeschränkungen als auch vertragliche Sicherungsmechanismen. Hier fehlte es an arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsklauseln hinsichtlich konkreter Informationen und der Einrichtung eines Kontrollsystems. Der Vortrag des Arbeitgebers im Gerichtsverfahren zu technischen Sicherheitsmaßnahmen und einer angemessenen IT-Sicherheit beschränkte sich auf pauschale Behauptungen.

Der Unterlassungsanspruch kann sich auch nicht auf die Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag stützen. Zwar ist möglich, den Geheimnisschutz über das GeschGehG hinaus vertraglich zu erweitern. Aber die über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkte Geheimhaltungsverpflichtung ist unwirksam. Die Vertragsklausel bezieht sich nicht nur auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sondern auch auf alle sonstigen Angelegenheiten und Vorgänge und soll außerdem zeitlich unbegrenzt über das Vertragsende hinaus gelten. Das ist laut BAG eine unangemessene Benachteiligung. Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht kann sich bei überwiegendem Interesse des Arbeitgebers allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen. Wenn kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, darf der Mitarbeiter sein im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen einsetzen und in den Kundenkreis des bisherigen Arbeitgebers eindringen. Die hier verwendete Vertragsklausel ist außerordentlich weit gefasst und würde dem Mitarbeiter die Nutzung seines Wissens bei einem neuen Arbeitgeber faktisch untersagen und käme dadurch einem zeitlich unbegrenzten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleich.

Aus dieser Entscheidung ergeben sich zwei Schlussfolgerungen:

Bei einer vertraglichen Verschwiegenheitsklausel ist darauf zu achten, dass die Geschäftsgeheimnisse konkret bezeichnet werden und keine pauschale und zeitlich unbegrenzte Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten geregelt wird. Daneben sind auch organisatorische Maßnahmen zur Wahrung des Geheimnisschutzes erforderlich.

Wenn ein Mitarbeiter Know-How-Träger ist und an dessen späterer Verwendung für einen Wettbewerber gehindert werden soll, bleibt nur die Möglichkeit, mit ihm ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Entschädigungszahlung für maximal zwei Jahre zu vereinbaren.

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