Müller-Hof Newsletter – Dezember 2023
art – AktuelleRechtsTipps
Arbeitsrecht: „Gleichstellungsbeauftragte gesucht“
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet bekanntlich eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine geschlechtsbezogene Benachteiligung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein bestimmtes Geschlecht eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ darstellt (§ 8 AGG).
Rechtlich sehr spannend ist die Frage, ob „Gleichstellungsbeauftragte“ nur Frauen sein können, wie die nachstehenden Urteile exemplarisch zeigen.
Das Arbeitsgericht Freiburg (Urteil vom 19.03.2021, 1 Ca 37/17) sprach einem abgelehnten männlichen Bewerber für die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten eine Entschädigung zu. Der beklagte Landkreis habe nicht dargetan, dass das weibliche Geschlecht eine zwingende Voraussetzung für die Ausübung der Arbeit einer Gleichstellungsbeauftragten darstellen würde. Die in der Stellenausschreibung beschriebenen Aufgaben könnten ebenso von weiblichen und männlichen Stelleninhabern wahrgenommen werden. Auch die Fähigkeit, Konzepte zu entwickeln und öffentliche Körperschaften in Fragen der Gleichstellungspolitik und Gleichstellungsmaßnahmen zu beraten, hänge nicht vom Geschlecht des Stelleninhabers, sondern dessen Qualifikation und Fähigkeiten ab. Nach dem konkreten Stellenzuschnitt der ausgeschriebenen Stelle seien das weibliche Geschlecht und die damit zusammenhängenden geschlechtsbezogenen Merkmale keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung. Daher sei die geschlechtsbezogene Benachteiligung unzulässig gewesen.
In den Fällen einer Ablehnung von männlichen „Gleichstellungsbeauftragten“ spielt eine maßgebliche Rolle, inwieweit mit der Stelle nur verwaltungsbezogene Aufgaben oder auch sensiblere Aufgaben wie z.B. die Bekämpfung sexueller Belästigung verbunden sind. Je nach den Umständen des Einzelfalls sind in der Vergangenheit die Gerichtsverfahren unterschiedlich ausgegangen.
Aber es geht nicht nur um abgelehnte Männer. Inzwischen hat auch „das dritte Geschlecht“ zunehmend praktische Bedeutung:
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 24.02.2023, 16 Sa 671/22) lehnte Entschädigungsansprüche einer „non-binären“ Person ab, die sich auf die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten einer Hochschule beworben hatte. Die Auswahl habe zulässigerweise auf weibliche Personen beschränkt werden dürfen. Nach der Stellenanzeige des Arbeitgebers habe die Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten unter anderem darin gelegen, Hochschulangehörige in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben sowie in Fällen von Diskriminierung und sexueller Belästigung zu beraten. Nach Auffassung des Gerichts sei es zumindest für einen Teil dieser Tätigkeiten unverzichtbar, dass die Stelleninhaberin dem weiblichen Geschlecht angehöre. Zwar sei das weibliche Geschlecht nicht zwingend nötig, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau voranzubringen oder Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die Wege zu leiten. Ein großer Teil der spezifischen Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten könne angesichts der Stellenanzeige jedoch unverzichtbar nur von einer Frau erledigt werden. Dazu zählte insbesondere die Aufgabe als Ansprechpartnerin in Fällen von Diskriminierung und sexueller Belästigung, deren Hauptbetroffene Frauen seien. Die geschlechtsbezogene Benachteiligung wurde deshalb für zulässig gehalten.
Anders ging ein Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 14.06.2023, 4 Sa 123 öD/22) aus. Die Gemeinde richtete die Stellenausschreibung ausschließlich an Frauen ohne den Zusatz „w/d“. Eine Person, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann, nahm zwar an Vorstellungsgesprächen teil, wurde aber letztlich abgelehnt. Laut dem Urteil lasse die nur für Frauen ausgeschriebene Stellenausschreibung eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten. Personen des „dritten Geschlechts“ seien auch nicht durch die gesetzliche Regelung in der Kreisordnung vom Amt der Gleichstellungsbeauftragten ausgeschlossen, vielmehr könnten auch sie – neben Frauen – Gleichstellungsbeauftragte sein. Der konkrete Stellenzuschnitt könnte zwar im Einzelfall eine Beschränkung auf Frauen rechtfertigen. Hierzu bedürfe es aber eines direkten, objektiv durch eine entsprechende Analyse belegten und überprüfbaren Zusammenhangs zwischen der beruflichen Anforderung und der Tätigkeit mit dem Ergebnis, dass allein das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte sei. Das sei hier nicht erfüllt. Der klagenden Person wurde eine Entschädigung von EUR 3.600,00 zugesprochen.
Diese Fälle zeigen, wie wichtig ist es ist, möglichst gar nicht erst Indizien für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung entstehen zu lassen. Nur in Extremfällen und nach sorgfältiger Prüfung erscheint denkbar, von der allgemein üblichen Ausschreibung „m/w/d“ abzuweichen.