Müller-Hof Newsletter – Dezember 2019
ars – aktuelles aus Recht und Steuern
Arbeitsrecht: Auskunft und Schmerzensgeld auf datenschutzrechtlicher Grundlage?
Bekanntlich gibt es seit 25.05.2018 die Datenschutz-Grundverordnung. Sie macht in vielen Bereichen Abläufe komplizierter und gewährt andererseits Betroffenen Schutz und Rechte, die es bisher nicht gab. Dies gilt auch im Arbeitsrecht. Inzwischen ergeben sich in der Praxis weitere Auswirkungen über die bloße Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben hinaus:
Für Aufsehen sorgte eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20.12.2018 (17 Sa 11/18) über den Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers. Es wurde entschieden, dass einem Arbeitnehmer der Daimler AG eine Kopie seiner personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die vom Arbeitgeber verarbeitet wurden, zur Verfügung zu stellen ist. Demnach kann der Arbeitnehmer Auskunft und auch eine Kopie der über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten verlangen. Der Arbeitgeber kann die Erfüllung des Anspruchs nur in dem Umfang verweigern, wie durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die geheimhaltungsbedürftig sind. Der Schutz von Informanten kann zwar ein anerkennenswertes Geheimhaltungsinteresse darstellen. Selbst dann ist aber eine auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Güterabwägung zwischen dem arbeitgeberseitigen Geheimhaltungsinteresse einerseits und dem arbeitnehmerseitigen Auskunftsinteresse andererseits vorzunehmen. Dem wird der Arbeitgeber nicht gerecht, wenn er sich lediglich pauschal auf das Bestehen eines Geheimhaltungsinteresses ohne weitere Substantiierung beruft. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen, so dass noch offen ist, ob es bei diesem Ergebnis des Rechtsstreits bleibt.
In der Praxis ist damit zu rechnen, dass Arbeitgeber zunehmend einem solchen Auskunftsverlangen ausgesetzt werden und dieses im Einzelfall auch verhandlungstaktisch eingesetzt wird, weil Arbeitgeber zur Vermeidung des Aufwands vielleicht lieber zur Zahlung einer höheren Abfindung bereit sind.
Nach Art. 82 DS-GVO gibt es im Falle eines Datenschutzverstoßes einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens oder auch immateriellen Schadens („Schmerzensgeld“) gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Inzwischen gibt es erste Gerichtsentscheidungen der unteren Instanzen zum Schmerzensgeldanspruch, aus denen sich aber noch keine klare Linie ergibt. Das Landgericht Karlsruhe vertritt die wohl derzeit überwiegende Meinung, dass der Datenschutzverstoß als solcher noch keinen Schaden darstellt, sondern ein Schmerzensgeld nur bei einer tatsächlichen und benennbaren Persönlichkeitsrechtsverletzung in Betracht kommt. Das Oberlandesgericht Dresden lehnt im Grundsatz die Geltendmachung von Bagatellschäden ab, hält aber Ausnahmefälle für denkbar. Nach anderer Rechtsauffassung stellt bereits der Datenschutzverstoß als solcher einen Schaden dar und löst somit Schmerzensgeldansprüche aus, ohne dass eine gesonderte Persönlichkeitsrechtsverletzung nachgewiesen werden müsste.
Bezüglich der Höhe gibt es noch keine aussagekräftigen Anhaltspunkte. Es ist bekannt geworden, dass beim Arbeitsgericht Karlsruhe Schmerzensgeldansprüche in Höhe von 12 Monatsgehältern eingeklagt wurden wegen Veröffentlichung einer (unzutreffenden) Mitteilung über das altersbedingte Ausscheiden eines Mitarbeiters im Jahr 2021, in einem anderen Fall in Höhe von ca. 2,5 Monatsgehältern wegen der Weiterleitung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einer kranken Mitarbeiterin in die Whats-App-Gruppe der Belegschaft. In beiden Fällen gingen die Richter zwar von einem Datenschutzverstoß aus, schlugen aber im Gütetermin Schmerzensgeldzahlungen in einer Größenordnung von EUR 500,00 bis EUR 1.000,00 vor. Im Hinblick auf den vorgesehenen Strafcharakter des datenschutzrechtlichen Schmerzensgeldanspruchs und die sehr hohen Bußgeldandrohungen ist aber nicht abzusehen, ob die Beträge bei einem späteren Urteil tatsächlich in einem solch niedrigen Bereich liegen werden. Die Rechtsprechung steht noch ganz am Anfang.
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Es zeigt sich aber, dass sich der Datenschutz nicht nur im Verhältnis zu einem Datenschutzbeauftragten und der Datenschutzbehörde abspielt, und bei Missachtung des Datenschutzes in vielfacher Hinsicht Ungemach droht.