Müller-Hof Newsletter – Dezember 2022
art – AktuelleRechtsTipps
Erbrecht: Steigende Erbschaftsteuerbelastung bei Immobilien
Durch eine Gesetzesänderung wird ab dem 01.01.2023 das Vererben und Verschenken von Immobilien deutlich teurer. Hintergrund ist eine Änderung der steuerlichen Bewertungsmaßstäbe von bebauten Grundstücken.
Dabei soll nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuersatz an sich geändert werden. Es bleibt dabei, dass der Vorgang des Erbens und Verschenkens durch das ErbStG im Wesentlichen gleichbehandelt wird. Es bleibt auch bei den drei Steuerklassen, den unterschiedlichen Freibeträgen und den unterschiedlichen Steuersätzen, die sich nach dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser bzw. Schenker richten. Geändert wird jedoch, wie eine Immobilie für die Berechnung des Nachlasswertes zu bewerten ist.
Das ist eine kleine Änderung mit großen Auswirkungen: Aufgrund der neuen Regelungen wird die Bewertung von Immobilien künftig an die Wertermittlung der Gutachterausschüsse und damit an die aktuellen Verkehrswerte gekoppelt werden. Bei den bisher angewandten Bewertungsmethoden lag der ermittelte Wert oft unter dem Verkehrswert.
Angesichts der gestiegenen Immobilienpreise werden damit Nachlässe mit Immobilien einen weitaus höheren steuerlichen Wert haben. Dies hat zur Folge, dass der jeweilige Freibetrag und auch die jeweiligen Schwellenwerte für einen höheren Steuersatz schneller überschritten sind. Schenkungen bzw. Erbschaften werden damit ab dem 01.01.2023 deutlich teurer. Der Interessenverband privater Immobilienbesitzer „Haus und Grund“ schätzt, dass durch die Gesetzesänderung bis zu zwei Drittel aller Immobilien in Deutschland höher bewertet werden und dass mindestens die Hälfte der Betroffenen höhere Steuern zahlen müssen.
Daher wird vielfach geraten, Immobilien „noch ganz schnell“ vor dem Ende dieses Jahres zu übertragen. Dabei sollten u.a. folgende Überlegungen berücksichtigt werden:
Für die Übertragung eines Grundstücks ist ein notariell beurkundeter Vertrag erforderlich. Angesichts der stets zum Jahresende knappen Notartermine sollte umgehend ein Termin reserviert werden, sofern eine Übertragung vor Jahresende angedacht wird.
Die individuellen steuerlichen Auswirkungen der Gesetzesänderung sollten vorab von einem Steuerberater geprüft werden. Es sollte auch geklärt werden, ob die steuerliche Befreiung durch das Bewohnen des Familienheims eine denkbare Alternative ist. Gerade wenn der steuerliche Vorteil einer Übertragung vor dem Jahresende nicht signifikant ist, sollte keine übereilte Übertragung veranlasst werden.
Trotz des Zeitdrucks sollte die individuelle familiäre Konstellation geprüft und in passgenaue rechtliche Regelungen umgesetzt werden. Häufig ist es für den Schenker wichtig, ein lebenslanges Wohnrecht oder Nießbrauchsrecht eingeräumt zu bekommen. Oder es ist für ihn bedeutsam, unter bestimmten Voraussetzungen die Immobilie zurückfordern zu können. Ferner sollte bedacht werden, wie sich die Schenkung auf den Pflichtteil und/oder Erbteil des Beschenkten auswirkt und wie z.B. ein wertmäßiger Ausgleich zwischen Geschwistern gestaltet sein soll.
Fazit: Von einer übereilten Immobilienschenkung ohne steuerliche und rechtliche Beratung ist dringend abzuraten. Die womöglich nicht bedachten negativen Folgen einer überstürzten Übertragung könnten durch den (ggfs. nur vermeintlichen) steuerlichen Vorteil nicht aufgewogen werden.