Müller-Hof Newsletter – Dezember 2021
art – AktuelleRechtsTipps
Arbeitsrecht: Urlaubskürzung bei Kurzarbeit
Die Corona-Pandemie hat bewirkt, dass seit 2020 viele Unternehmen Kurzarbeit anmelden mussten, teilweise gilt sie heute noch oder wieder. Dadurch wurde die Frage praxisrelevant, inwieweit Urlaubstage gekürzt werden können, wenn monatelang überhaupt nicht gearbeitet wird („Kurzarbeit null“) oder zumindest etliche Arbeitstage wegen Kurzarbeit ausfallen.
Der Europäische Gerichtshof hat zwar schon vor längerer Zeit entschieden, dass das europäische Recht einer Kürzung des Urlaubsanspruchs in Zeiten von Kurzarbeit durch nationale Regelungen nicht entgegenstehe. Allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Kürzung von alleine eintritt. Im deutschen Bundesurlaubsgesetz steht dazu nichts. Mehrere Landesarbeitsgerichte haben im Jahr 2021 entschieden, dass bei „Kurzarbeit null“ der Urlaub anteilig gekürzt werden kann, z.B. für jeden vollen Monat der Kurzarbeit null um ein Zwölftel, aber es gibt auch andere Rechtsauffassungen.
Nun liegt endlich eine BAG-Entscheidung vor und bringt Rechtsklarheit: Am 30.11.2021 (Az. 9 AZR 225/21) wurde über einen Fall entschieden, in dem für eine Bäckereiverkäuferin in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 komplett Kurzarbeit null bestand und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen gearbeitet wurde. Das BAG meint, dass bei vereinbarter Kurzarbeit eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs erfolgen kann wie bei einer Teilzeittätigkeit. Es ist über das ganze Kalenderjahr zu ermitteln, an wievielen Tagen tatsächlich eine Arbeitspflicht bestand. Diese tatsächlichen Arbeitstage müssen ins Verhältnis zu 312 Werktagen bei einer 6-Tage-Woche (bzw. 260 Tage bei einer 5-Tage Woche usw.) gesetzt werden. Entsprechend dieser Quote ist somit der Jahresurlaub zu kürzen. Die Klägerin hätte 28 Werktage Urlaub bei einer 6-Tage-Woche gehabt, was bei der vereinbarten 3-Tage-Woche (156 Arbeitstage jährlich) einem jährlichen Urlaub von 14 Arbeitstagen entsprach. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (117 statt 156 Arbeitstage in der 3-Tage-Woche, Quote 0,75). Da der Arbeitgeber sogar 11,5 Arbeitstage für 2020 angesetzt hatte, stand der Klägerin kein weiterer Urlaub zu, vielmehr hatte der Arbeitgeber sogar mehr gewährt als nötig.
Aus der bislang vorliegenden Pressemitteilung des BAG ist erkennbar, dass auch die weiteren ausgefallenen Arbeitstage für die Kürzung hätten herangezogen werden können und nicht nur vollständige Monate mit Kurzarbeit null berücksichtigt werden dürfen. Demnach kann z.B. schon dann der Urlaub gekürzt werden, wenn wegen Kurzarbeit nur an vier statt fünf Tagen pro Woche gearbeitet wird.
Vor diesem Hintergrund kann in Betrieben mit erheblicher Kurzarbeit der Urlaubsanspruch neu berechnet und anteilig gekürzt werden. Das BAG-Urteil gibt hierfür den Berechnungsweg vor und verhilft zu Rechtssicherheit.