Müller-Hof Newsletter – Dezember 2021
art – AktuelleRechtsTipps
Arbeitsrecht: Einladung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, soll der Arbeitgeber mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das nennt sich „betriebliches Eingliederungsmanagement“, kurz „BEM“. Für die Beschäftigten ist die Teilnahme freiwillig. Ein solches BEM-Verfahren ist zum einen sinnvoll, um möglichst die auftretenden Fehlzeiten zu reduzieren. Zum anderen ist ein angebotenes BEM aber auch Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung, wenn keine Besserung erreicht wird. Denn die Arbeitsgerichte sehen eine krankheitsbedingte Kündigung in aller Regel als unverhältnismäßig an, wenn nicht zuvor ein BEM versucht wurde, um die Situation zu verbessern. Die fehlende BEM-Einladung wäre nur dann nicht schädlich, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsrechtsstreit nachweisen kann, dass ein BEM nichts gebracht hätte und auch Rehabilitationsmaßnahmen o.ä. nicht zur Verbesserung beigetragen hätten. Das ist dem Arbeitgeber in der Praxis nicht möglich.
Dabei sind die Gerichte sehr formalistisch und streng. Laut Gesetz ist die betroffene Person zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Schon wenn die datenschutzrechtliche Information unvollständig ist, halten Gerichte eine krankheitsbedingte Kündigung für unwirksam. Gleiches gilt, wenn z. B. nicht über die freie Entscheidung belehrt wird, ob der Betriebsrat hinzugezogen wird oder nicht. Dies leuchtet zwar nicht recht ein, muss aber in der Praxis vom Arbeitgeber beachtet werden, um die Chancen in einem Kündigungsschutzprozess zu wahren.
Ab 01. Januar 2022 gilt ein erweiterter Kreis möglicher Teilnehmer am BEM. Während bisher im Gesetz ausdrücklich Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung und Betriebsarzt sowie Integrationsamt und Rehabilitationsträger erwähnt wurden, wurde nun ergänzt: „Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.“ In Betracht kommen z.B. ein Ehe- oder Lebenspartner, Verwandter, guter Bekannter sowie Arzt oder Rechtsanwalt. Die Teilnahme einer solchen Person muss gestattet werden.
Ferner ist im Einladungsschreiben nun noch eine weitere Formalie zu beachten: Arbeitgeber müssen ausdrücklich auf diese Möglichkeit hinweisen. Wenn dieser Hinweis auf die Hinzuziehung einer Vertrauensperson fehlt, werden Gerichte die BEM-Einladung als nicht ordnungsgemäß beanstanden, was zur Unwirksamkeit einer späteren krankheitsbedingten Kündigung führen kann. Zur Vermeidung dieser gravierenden negativen Konsequenzen muss die BEM-Einladung deshalb um diesen Hinweis ergänzt werden.