Müller-Hof Newsletter – März 2021
ars – aktuelles aus Recht und Steuern
Arbeitsrecht: Gekündigt wegen Diebstahls von Desinfektionsmittel
In Corona-Zeiten gibt es zwar manche Neuerungen, die rechtlich noch nicht geklärt sind und deshalb mit viel Rechtsunsicherheit verbunden sind. Das ist aber nicht bei allen Sachverhalten mit Bezug zur Pandemie der Fall. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (5 Sa 483/20) hatte über eine Kündigung wegen Diebstahls von Desinfektionsmittel zu entscheiden. Auch wenn es solche Vorgänge vor März 2020 wohl nicht gegeben hätte, konnte das LAG bei der Lösung des Falles auf bekannte Rechtsgrundsätze zurückgreifen.
Der Arbeitnehmer war bereits seit 16 Jahren bei dem Paketzustellunternehmen als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Da immer wieder Desinfektionsmittel aus den Waschräumen entwendet worden war, hatte das Unternehmen durch einen Aushang im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmittel eine fristlose Kündigung und eine Anzeige zur Folge haben werde. Nach der Nachtschicht fand der Werkschutz am 23. März 2020 bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle im Kofferraum des Arbeitnehmers eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel (Wert damals ca. 40 Euro) und eine Handtuchrolle. Der Arbeitnehmer behauptete allerdings, sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben zu haben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Er müsse kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei.
Das LAG hielt ebenso wie das erstinstanzliche Arbeitsgericht die Darstellung des Arbeitnehmers für unglaubwürdig, insbesondere weil die Plastikflasche noch nicht angebrochen war. Vielmehr war davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer das Desinfektionsmittel selbst verbrauchen wollte. Diebstahl ist im Grundsatz ein wichtiger Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Trotz der langen Beschäftigungszeit hielt das LAG hier eine vorherige Abmahnung nicht für erforderlich. In einer Zeit, als Desinfektionsmittel bekanntermaßen Mangelware war, hat der Arbeitnehmer eine nicht geringe Menge entwendet und zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. Aufgrund der Umstände einschließlich des erfolgten Aushangs habe ihm klar sein müssen, dass er mit einer solchen Handlung die Kündigung riskiert. In einem solchen Fall ist eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Auch die abschließende Interessenabwägung und Prüfung der Verhältnismäßigkeit fiel angesichts der Gesamtumstände zum Nachteil des Arbeitnehmers aus. Dieses dreistufige Prüfungsschema für eine fristlose Kündigung (wichtiger Grund – Abmahnung – Interessenabwägung) ist aus der ständigen Rechtsprechung bereits bekannt.
Ein weiterer wichtiger Punkt in zeitlicher Hinsicht ist noch, dass die fristlose Kündigung spätestens zwei Wochen nach Kenntnis des Sachverhalts zugegangen sein muss. Das war im vorliegenden Fall trotz der durchzuführenden Betriebsratsanhörung kein Problem.