Müller-Hof Newsletter – Juni 2017
ars – aktuelles aus Recht und Steuern
Arbeitsrecht: Neues Gesetz gegen niedrigeres Entgelt für Frauen
Nach statistischen Erhebungen sollen Frauen rund 21 % weniger verdienen als Männer. Teilweise lässt sich dies insbesondere durch geschlechtsspezifische Berufswahl, geringere Neigung von Frauen zu Führungspositionen, familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und länger andauernde Teilzeittätigkeiten erklären. Erfolgt eine Bereinigung um diese bekannten Aspekte, soll der Unterschied immer noch 7 % betragen. Mangels statistischer Berücksichtigung weiterer lohnrelevanter Einflussfaktoren, z.B. Erwerbsunterbrechungen, wird angenommen, dass die vollständig bereinigte Differenz tatsächlich noch niedriger ist. Durch das neue Entgelttransparenzgesetz wird ein individueller Auskunftsanspruch begründet, der durch mehr Transparenz die geschlechtsbezogenen Entgeltunterschiede verringern soll.
In Betrieben mit regelmäßig mehr als 200 Beschäftigten können Beschäftigte Auskunft über die Kriterien und das Verfahren zur Entgeltfestlegung sowie über das Entgelt für eine vergleichbare Tätigkeit verlangen. Sofern der Tarifvertrag Anwendung findet und ein Betriebsrat besteht, können die Beschäftigten auch über den Betriebsrat Auskunft verlangen.
Die Auskunft über die Vergütung bezieht sich auf gleiche oder zumindest gleichwertige Tätigkeiten, was in der Praxis allerdings nicht immer leicht definierbar ist. Wer Auskunft erhalten möchte, muss in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen. Der Auskunftsanspruch umfasst die Kriterien und Maßstäbe zur Festlegung des Entgelts, das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt einer aus mindestens sechs Personen bestehenden vergleichbaren Gruppe des anderen Geschlechts und bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile. Der Arbeitgeber muss somit zunächst das durchschnittliche Entgelt jedes Beschäftigten in der Vergleichsgruppe errechnen und dies bei Teilzeitkräften auf Vollzeit hochrechnen. Bei dem Entgelt zählen auch Zuschläge und Einmalzahlungen mit. Anschließend muss der statistische Median gebildet werden. Dies ist nicht der rechnerische Mittelwert, sondern der Wert, der an mittlerer Stelle steht, wenn man die Werte der Größe nach sortiert. Besteht eine Vergleichsgruppe aus einer geraden Anzahl an Beschäftigten, errechnet sich der Median aus dem Mittelwert der beiden in der Mitte liegenden Zahlen.
Es erscheint fraglich, was Beschäftigte mit der erhaltenen Auskunft anfangen können, außer einen Versuch zur Nachverhandlung des Entgelts zu unternehmen. Ein Rechtsanspruch auf Zahlung des berechneten durchschnittlichen Vergleichsentgelts besteht nämlich nicht. Auch dürfte allein ein Median, der höher ist als das Entgelt der Beschäftigten, noch kein ausreichendes Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung sein, zumindest dürfte für den Arbeitgeber die Möglichkeit bestehen, eine solche Vermutung zu widerlegen und andere Gründe für das vergleichsweise geringere Entgelt anzuführen.
Für Betriebe ab 200 Beschäftigten bedeutet das Gesetz erhöhten bürokratischen Aufwand, vermutlich aber ohne für die Beschäftigten einen echten Nutzen zu bringen. Ob das Gesetz zumindest (ähnlich wie damals das AGG) einen Denkanstoß bewirkt, um etwaige geschlechtsbezogenen Gehaltsunterschiede zu beseitigen, bleibt abzuwarten.